Nachhaltiger Konsum

“Sharing is caring”: Nutzen statt besitzen


15.08.20245 Min.

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Use instead of buy

Jede:r von uns kennt es wahrscheinlich selbst: Viele Dinge, die wir zu Hause haben, nutzen wir nicht regelmäßig – oft sogar gar nicht. Rund 10.000 Gegenstände besitzt ein Haushalt in Europa im Schnitt. Durchschnittlich 50% davon sind und bleiben völlig unbenutzt.¹ Umso besser, dass immer mehr Menschen beginnen, dieses Konzept des „selbst haben müssen“ zu hinterfragen.

Noch nicht allzu lange ist es her: Die Europameisterschaft im eigenen Land. Alle haben sich auf das zweite Sommermärchen vorbereitet – auch die Fans, die „Public” Viewing bei sich zu Hause anbieten wollten. Nicht wenige haben eigens dafür Wohnzimmer und Garten nochmal optimiert. Mit dem neuesten Beamer oder einem größeren Fernsehen, zusätzlichen Bierbänken, einem Partyzelt oder passender Deko in schwarz-rot-gold. Nach einer Umfrage des EHI-Retail Instituts planten knapp 20 Prozent² anlässlich der EM beispielsweise Grillgeräte oder Gartenmöbel zu kaufen, 16,3 Prozent liebäugelten mit neuen Elektronikartikeln.³

Doch wir fragen uns: Und was passierte damit nach Abpfiff am 14. Juli 2024? Der Beamer verschwindet im Schrank, die Bierzeltgarnitur neben dem Partyzelt in der Garage. Für das nächste Gartenfest. Vielleicht.

Und wie wäre es, sich insbesondere solche Gegenstände, die man nicht so häufig nutzt, auszuleihen oder zu mieten, statt alles selbst anzuschaffen? Dadurch würde der/die Einzelne Geld sparen und ganz nebenbei wäre auch noch der Umwelt geholfen. Genau das ist der Ansatz der Sharing Economy beziehungsweise des Use-instead-of-uy-Gedankens: Tauschen, leihen oder Gegenstände gemeinsam nutzen,  um den Konsum insgesamt zu reduzieren.

Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens

Sharing Economy – auch „Shared Economy“ oder „Shareconomy“ – heißt wörtlich übersetzt „Wirtschaft des Teilens“. Dieser Begriff bezeichnet die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern durch Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken sowie die Vermittlung von Dienstleistungen. Die Idee ist nicht neu. Vereine, Genossenschaften, Nachbarschaftshilfe – all solche Initiativen basieren auf dem Gedanken, dass man stärker ist, wenn man seine Kräfte als Gemeinschaft bündelt und sich gegenseitig aushilft. Der Internetboom Anfang der 2000er-Jahre hat die Sharing Idee jedoch neu angefacht: Neue Online-Plattformen, -Tauschbörsen oder –Verleihservices für Apartments und/oder Fahrräder haben das Teilen und den Zugang zu Dienstleistungen noch einfacher und niederschwelliger gemacht.

Spannenderweise liegen auch die Wurzeln unseres modernen Massenkonsums in der Geschichte der Menschheit. Nach Aussage von Evolutionsbiologen bedeutete für die Jäger und Sammler „mehr besitzen“ eigentlich immer „länger und besser Überleben“. Inzwischen stoßen wir mit diesem Ansatz aber an die Grenzen unserer Erde. Die Produktion für unseren Massenkonsum verbraucht zu viele Rohstoffe, Transport und Herstellung pusten Tonnen an CO2 in die Luft.

Nach Auffassung des Trendforschers Peter Wippermann⁵ könnte das Sharing ökonomisch einen Übergang zur Kreislaufwirtschaft auslösen. Es gehe immer stärker darum, Ressourcen neu zu denken und die Geschäftsmodelle zur Nutzung neu zu entwickeln. In einer Trendstudie aus dem Jahr 2022 kommt er zu dem Schluss, dass Sharing vor dem Hintergrund des Klimawandels, einer fortschreitenden Digitalisierung und den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bei Konsument:innen an Bedeutung gewonnen hat.

Sharing – nachhaltig und innovativ?

Vor dem Hintergrund des größeren ökologischen Bewusstseins und einer fortschreitenden Digitalisierung hat Sharing bei Konsument:innen an Bedeutung gewonnen. Mehr dazu in der Studie 'Circular Economy' von 2022. Dinge zu teilen, statt sie zu haben – das ist inzwischen bei jedem/r zweiten fester Bestandteil der Konsumentscheidung. 65 Prozent geben an, dass Leihen, Teilen und Wiederverkaufen ihrem Lebensgefühl entsprechen. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung, die das Münchener Beratungsunternehmen Trendbüro 2022 im Auftrag des Textildienstleisters Mewa durchgeführt hat.⁶ Sparen, Nachhaltigkeit und Bequemlichkeit sind nach einer Studie des Softwareanbieters Capterra die Hauptbeweggründe:

Capterra Use Instead of Buy
Quelle: https://www.capterra.com.de/blog/3338/was-ist-die-sharing-economy#Preis-und-Nachhaltigkeit-sind-die-Hauptgru%CC%88nde-fu%CC%88r-die-Nutzung-von-Sharing-Plattformen

Vielfältige Alternativen beim Sharing

Bike- und Carsharing oder das Teilen von Wohn- oder Arbeitsräumen sind die bekanntesten Modelle der Sharing Economy. Es sind aber längst nicht die einzigen Wege, den Use-Instead-Of-Buy-Gedanken zu leben.

Die besten Möglichkeiten verschafft das private Umfeld. Einfach mal bei Nachbarn und Freund:innen fragen, ob man sich Schlagbohrer, Kärcher, Stehtisch, Fahrradanhänger, Campingausrüstung oder bestimmte Klamotten ausleihen kann. Im Gegenzug kann man Fundstücke aus dem eigenen Keller zur Nutzung anbieten.

Den Tausch oder Ausleihgedanken haben inzwischen auch zahlreiche Online-Tauschbörsen⁸ ins Internet übersetzt. Sie bringen auch Fremde zueinander und erweitern damit den Suchradius.

Professioneller laufen Mietservices etwa von Baumärkten oder Elektronikketten. Hier kann man selten benutzte Werkzeuge oder Home-Entertainment gegen Gebühr erhalten – sowohl im Geschäft als auch Online. Viele Getränkemärkte verleihen Zapfanlagen oder Bierzeltgarnituren. Und auch für Kleidung gibt es inzwischen verschiedene Plattformen mit Mietangeboten.⁹

Ein kleiner Exkurs: Sowohl beim Leihen als auch beim Mieten nutzt man fremde Gegenstände. Nach dem Gebrauch gibt man sie dem Eigentümer zurück. Der große Unterschied: Bei der Miete bezahlt man die Nutzung, beim Leihen in der Regel nicht. Gerade bei Mietmodellen schadet es nicht, sich einmal kurz die Geschäftsbedingungen anzuschauen, damit man weiß, was im Fall von Beschädigungen oder einem Verlust der gemieteten Sachen auf einen zukommen kann.

Werdet kreativ

Der "Use-Instead-of-Buy"-Gedanke und die Sharing Economy bieten eine neue Perspektive auf unseren Konsum und unsere Lebensweise. Durch kleine Veränderungen im Alltag und die gemeinschaftliche Nutzung von Gegenständen können wir gemeinsam einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die ihren Nutzer:innen das Tauschen, Mieten oder zeitlich begrenzte Verwenden von Gütern, Dienstleistungen und Informationen anbieten. Werdet kreativ oder informiert euch also erstmal vorab ob der Public-Viewing-Beamer nicht in der Nähe auch zur Miete bereitsteht – leihen ist das neue Kaufen.


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Quellen

1

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/konsumverhalten-verzicht-glueck-101.html und  https://depot.social/blog/10000-dinge-besitz-neue-konsumkultur - aufgerufen am 16.08.2024.

Laut einer Umfrage vom 13.06.2024.

3

https://www.trendwelten.eu/news/ehi-em-2024-treibt-konsum-an/ - aufgerufen am 16.08.2024.

4

Vordenker der Bewegung ist der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin. Er hat im Jahr 2000 das Buch „Access“ geschrieben und hier bereits den Wandel der Ökonomie – in Gang gesetzt durch den Internetboom – beschworen. Sein Credo: „Der rasche Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen zählt heute bereits mehr als dauerhafter und schwerfälliger Besitz“.

5

https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article235523711/sharing-economy-nachhaltigkeit-konsum-teilen-besitzen.html - aufgerufen am 16.08.2024.

6

https://www.mewa.de/presse/studie:-sharing-wird-fester-bestandteil-von-kaufueberlegungen/ - aufgerufen am 16.08.2024.

7

https://www.capterra.com.de/blog/3338/was-ist-die-sharing-economy#Preis-und-Nachhaltigkeit-sind-die-Hauptgru%CC%88nde-fu%CC%88r-die-Nutzung-von-Sharing-Plattformen – aufgerufen am 16.08.2024.

8

https://utopia.de/bestenlisten/tauschboersen-online-tauschen/ - aufgerufen am 16.08.2024.

9

https://nachhaltige-kleidung.de/fairfashion/kleidung-mieten/ - aufgerufen am 16.08.2024.