Fast 140 Millionen Euro gaben die Deutschen 2018 für ihr Silvester-Feuerwerk aus. Ziemlich viel Geld für ein paar Minuten Glitzer-Spektakel, das noch dazu der Umwelt und der Tierwelt schadet, viele gefährliche Verletzungen erzeugt und das Gesundheitssystem belastet. Mit der Corona-Pandemie gab es dann einen starken Rückgang beim Böller-Verkauf. Und nun? Ist 2022 alles wieder erlaubt? Aber das macht eigentlich keinen Sinn, oder? Außerdem werfe ich auch einen Blick auf den CO2-Rechner.
Als Kind war Silvester für mich immer ein besonderer Tag. Das Haus voller Gäste, Weihnachtsferien, gutes Essen und meine Schwester und ich durften bis nach Mitternacht aufbleiben. Für das große Feuerwerk. Damals habe ich nicht darüber nachgedacht, ob Böller Nebenwirkungen haben könnten. Ich lächelte staunend in den Himmel und kürte den für mich schönsten Glitzer-Regen. Ich hätte ahnen können, dass das Böllern negative Auswirkungen hat. Ich zuckte bei jedem Knall zusammen, obwohl ich wusste, was passieren würde. Und über ganz Hamburg lag am 1. Januar ein unangenehmer Nebel aus Ruß. Später bekam ich Katzen, die in der Silvesternacht panisch unter Sofas und Schränken Zuflucht suchten. Ich lernte Ärzte kennen, die von zerfetzten Händen und überfüllten Notaufnahmen berichteten. Noch etwas später wurden mir auch die Auswirkungen auf die Umwelt klar. Die Frage wuchs: Ist Böllern tatsächlich eine schlaue Idee?
Die Deutschen lieben Silvester-Feuerwerke
Wer mal eine Silvesternacht auf der Reeperbahn erlebt hat, weil er dachte, es gibt bestimmt nirgendwo so spektakuläre Silvester-Partys als dort, der bekommt einen anderen Blick auf das Feuerwerk zum Jahreswechsel. Es erzeugt eine gefährliche und verstörende Atmosphäre. Man beginnt zu ahnen, dass Böllern an Silvester leider auch eine Tradition ist, bei der jede:r Volljährige unkontrolliert mit Sprengstoff hantieren darf. Sogar unabhängig von seinem Alkoholpegel. Das ist nicht optimal, denn Feuerwerkskörper können durch die Dreifach-Kombination von Hitze, Impuls und Chemikalien sehr schwere Schäden verursachen. In keiner Nacht des Jahres verzeichnen die Notaufnahmen mehr Verletzungen von Händen und auch Augen. Und wenn man verletzungsfrei bleibt und in den Morgenstunden des 1. Januars durch die Straßen von Hamburg nach Hause läuft, erkennt man recht einfach: Tonnenweise Müll machen eine Stadt auch nicht gerade schöner.
Dabei sollten Traditionen doch eigentlich etwas Positives zwischen den Generationen weitergeben. Das Feuerwerk an Silvester begrüßt das neue Jahr und soll böse Geister vertreiben. Daran ist erstmal nichts auszusetzen. Doch auch die Deutschen sehen Silvester kritischer als je zuvor. Zwar sind seit dem Jahr 2005 die Ausgaben für Silvester-Pyrotechnik (bis zum Böller-Verbot aufgrund von Corona ab 2020) Jahr für Jahr gestiegen. Von damals schon bemerkenswerten 87 Millionen Euro auf 137 Millionen Euro.¹ Gleichzeitig erklärten bei einer Forsa-Umfrage 77 Prozent der Befragten, ihnen falle zum Thema Silvester-Feuerwerk als erstes Geldverschwendung ein. Rund 71 Prozent fürchten sich vor Verletzungen, 63 Prozent halten die Müllberge für problematisch und etwas mehr als die Hälfte denkt an Sachbeschädigungen. Stichwort Müllberge: Überreste der Böller und Raketen, die in der Umwelt liegen bleiben, bauen sich nur sehr langsam ab, zerfallen zu Mikroplastik und enthalten Chemikalien, die in Böden, Oberflächengewässer und Abwässer gelangen. Welche Umwelttipps es gibt, zeigt dieser Beitrag zum Thema Kreislaufwirtschaft.
Inzwischen begrüßt laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage² von Oktober 2022 sogar erstmals eine knappe Mehrheit der Deutschen ein komplettes Verbot der Silvester-Feuerwerke. So stimmten 53 Prozent der befragten Menschen für ein Verbot, nur 39 Prozent dagegen. Als Grund wurde nach wie vor die Corona-Pandemie genannt, aber insbesondere auch das schon angesprochene Verletzungsrisiko, der Umwelt- und Tierschutz sowie der Krieg in der Ukraine. In den Jahren zuvor gab es nie eine Mehrheit für ein Verbot. Haben sich die Zeiten so rasant geändert?
Umweltkatastrophe Silvester?
Vor allem der Umwelt-Faktor hat im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels eine besondere Bedeutung bekommen. Auch im Hinblick auf Silvester-Feuerwerke wird viel darüber diskutiert und geforscht. Jede:r von uns kann für sich selbst oder seine Familie über Co2-Rechner recht einfach den eigenen Co2-Ausstoß ermitteln. Aber wie sieht es mit Silvester aus? Silvester hat keinen Stromvertrag und bucht keine Flugreisen. Was also macht Silvester so umweltschädlich?
Zunächst belastet das Abbrennen von Feuerwerkskörpern die Atmosphäre mit verschiedenen Treibhausgasen, deren Klimawirkung rund 2.300 Tonnen Kohlendioxid entspricht. Das sind 25 Gramm Co2 pro Kopf der Bevölkerung – oder 550 Interkontinentalflüge von München nach New York und zurück. Da Deutschlands Einwohner:innen im Durchschnitt etwa elf Tonnen Co2 pro Jahr freisetzen, ist der Anteil des Silvester-Feuerwerks vergleichsweise gering, entsteht allerdings in der Rekordzeit von nur wenigen Minuten. Hinzu kommen darüber hinaus rund 2.050 Tonnen Feinstaub. Damit macht das Silvester-Feuerwerk knapp zwei Prozent der jährlichen Feinstaub-Gesamtemission³ aus.
Darf ich jetzt etwa nicht mehr Böllern?
Muss ich jetzt Silvester auf Böller verzichten, um kein schlechtes Gewissen zu haben? Diese Frage sollte jede:r für sich selbst beantworten. Vermutlich ist es wie mit vielen Dingen, die nicht ausschließlich positive Effekte haben: Mit Vorsicht und in Maßen ist es deutlich weniger problematisch als ungezügelt und unreguliert.
Andererseits könnte man auch sagen: Es ist nicht lebenswichtig und verpufft im wahrsten Sinne des Wortes in nur wenigen Minuten. Warum sollte man es nicht durch etwas Sinnvolleres ersetzen? Mal zwei einfache Beispiele. Mit den 137 Millionen Euro, die 2018 allein in Deutschland in Silvester-Feuerwerkskörper investiert wurden, könnte man:
Ich finde, das sind gute Gründe, darüber nachzudenken, ob ein paar Minuten Feuerwerk-Spektakel wirklich wichtiger sind. Mit seinem Verzicht entlastet man Umwelt, Tiere, Krankenhäuser und damit das ohnehin aktuell nicht optimal aufgestellte Gesundheitssystem. Aber egal, wie Sie sich entscheiden: Ich wünsche Ihnen einen fantastischen Rutsch in ein gutes, erfolgreiches, und vor allem gesundes neues Jahr! Bis 2023!
AUTORINNEN-TEXT:
Marie von den Benken wurde 1989 in Hamburg geboren und 14. Jahre später auf der Mönckebergstraße von einem Modelscout „entdeckt“. Seither beobachtet sie die Fashion-Branche von vor und hinter der Kamera. Inzwischen gehört sie als Autorin und Influencerin zu den wichtigsten Stimmen ihrer Generation. Ihr Twitter-Account gehört zu den meistzitierten Accounts in den Deutschen Medien und ihre Kolumnen, etwa zu „Germany´s Next Topmodel“, haben Kultcharakter. Als Autorin arbeitet sie für die größten Magazine, Zeitungen und Verlage des Landes sowie für TV-Produktionen. Als Influencerin kooperiert sie mit vielen sehr großen und kleinen, interessanten Unternehmen und legt dabei besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit. Sie ist Testimonial für einige nachhaltig operierende Bewegungen wie Viva con Agua, Veganuary, Weisser Ring oder PETA.